Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
die heutige Ausgabe ist einem großen Werk der Kammermusik gewidmet: Franz Schuberts Oktett F-Dur D 803.
Schon beim Komponieren wusste Schubert, dass dieses Werk die Grenzen der Kammermusik sprengen würde: „...überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Sinfonie bahnen", schrieb er Ende März 1824 an seinen in Rom weilenden Freund Leopold Kupelwieser. Das Oktett war demnach eine Art sinfonischer Studie, was man an vielen Zügen hören kann; es zählt bis heute zu den populärsten Kammermusikwerken für gemischte Besetzung (Streicher und Bläser).
Das 1824 fertiggestellte Oktett entstand auf Bitte von Graf Ferdinand Troyer. Es wurde jedoch erst 1827 im Musikverein Wien öffentlich präsentiert. Der große Wiener Geiger Ignaz Schuppanzigh spielte das Oktett dort in einer seiner Quartett-Matineen.
Schubert, der zuvor durch eine lange Schaffenskrise gegangen war, orientierte sich bei der Komposition seines Werkes stark an seinem Vorbild Ludwig van Beethoven. Dieser schrieb bereits 1799 sein Septett op. 20 für eine gemischte Besetzung (Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Bratsche, Violoncello und Kontrabass), die eine Vielzahl unterschiedlichster Klangfarben ermöglicht. Schubert fügte für einen orchestralen Streicherklang noch eine zweite Violine hinzu. Auch in der Satzzahl gleichen sich beide Werke: lediglich die Reihenfolge wurde durch Schubert verändert. Das Thema des vierten Satzes entstammt dem Liebesduett aus Schuberts Singspiel „Die Freunde von Salamanca“ (1815).
Dass das Werk für damalige Verhältnisse lang dauerte, ist der Wiener Theaterzeitung negativ aufgefallen: "Die Aufmerksamkeit der Hörer wird durch die lange Zeitdauer vielleicht über Billigkeit in Anspruch genommen werden." Im Übrigen sind der Rezensent, wie auch andere Berichterstatter des Lobes voll über Schuberts Oktett. Wer nun aber glaubt, daraufhin sei Schubert zur festen Größe im Wiener Konzertleben geworden und nicht nur als Liederkomponist anerkannt, sieht sich getäuscht. Das Oktett verschwand ganz schnell aus den Konzertprogrammen.
Vermutlich haben Schuberts "himmlische Längen", die heute in vielen Werken so berühren, die Zeitgenossen abgeschreckt. Dem Publikum des Wiener Biedermeier stand der Sinn nach Gefälligem und Einfachem, wie es Wiens Kleinmeister in Hülle und Fülle boten. Erst mehr als 30 Jahre nach Schuberts Tod brachte eine legendäre Aufführung mit dem Geiger Joseph Hellmesberger das Werk zurück ins musikalische Gedächtnis der Interpreten und des Konzertpublikums.
Zwei Konzertmitschnitte stelle ich heute gerne zur Auswahl - zunächst das Eröffnungskonzert vom Kammermusikfestival Utrecht 2015, das dort am 24. Juni im TivoliVredenburg stattfand - es musizieren Janine Jansen (Violine), Gregory Ahss (Violine), Nimrod Guez (Viola), Nicolas Altstaedt (Violoncello), Rick Stotijn (Kontrabass), Andreas Ottensamer (Klarinette), Fredrik Ekdahl (Fagott) und Radek Barborák (Horn).
www.youtube.com/watch
Zum Vergleich noch ein Mitschnitt vom Solsberg Festival 2016. In der Barockkirche St. Peter (Schwarzwald) musizierten am 12. Juni Antje Weithaas (Violine), Alina Pogostkina (Violine), Veronika Hagen (Viola), Sol Gabetta (Violoncello), Robert Vizvari (Kontrabass), Alejandro Núñez (Horn), Gustavo Núñez (Fagott) und Sabine Meyer (Klarinette):
www.youtube.com/watch Eihj4&t=2s