Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde der Kirchenmusik,
eine Oper von Wolfgang Amadeus Mozart ist unser heutiges Musikstück des Tages: "Die Entführung aus dem Serail".
1782: Mozart war 26 Jahre alt und wollte sein Leben endlich selbst in die Hand nehmen. Er ging nach Wien. Wenn auch der Vater von Salzburg aus stets versuchte, Einfluss auf ihn zu nehmen: Wolfgang ließ sich nicht mehr viel sagen. Außerdem war er verliebt: Die Familie Weber, die er schon vor Jahren kennengelernt hatte, hatte ihm ein Zimmer vermietet. Hier komponierte er - versorgt und unter Familienanschluss - ungestört. Und: Er wollte die Tochter des Hauses, Constanze, heiraten - ein Wunsch, den er zunächst vor Vater Leopold geheim hielt.
In diese Zeit fällt der Auftrag Josephs II. zur Komposition der Oper „Die Entführung aus dem Serail“. Die Handlung ist dem Libretto für die Operette „Belmont und Constanze“ von Christoph Bretzner nachempfunden, Mozart überarbeitete dieses gemeinsam mit seinem Librettisten Gottfried Stephanie nach seinen Vorstellungen.
Der Inhalt in Kürze: Konstanze und Blonde sind in die Gewalt des orientalischen Herrschers Bassa Selim geraten, eines spanischen Renegaten, der die beiden und mit ihnen Blondes Partner Pedrillo an seinem Hof gefangen hält. Während Bassa Selim Konstanze begehrt, hat sein Diener Osmin ein Auge auf Blonde geworfen. Die Frauen versuchen, sich dem Drängen zu widersetzen. Belmonte, dem Geliebten Konstanzes, gelingt es, die Vermissten aufzufinden und sich verkleidet in den Palast des Bassa Selim einzuschmuggeln. Beim Fluchtversuch werden die vier ertappt. Bassa Selim jedoch verzichtet auf Vergeltung und schenkt ihnen die Freiheit.
Mozarts Singspiel, das sich durch das hohe musikalische Niveau der Gesangspartien und die individuelle Charakterzeichnung aller Figuren weit über die Grenzen des Genres erhebt, war der größte Theatererfolg des Komponisten zu Lebzeiten. Das "türkische Sujet", unterstrichen durch die Janitscharenmusik im Orchester und im damaligen Wien sehr angesagt, trug hierzu sicherlich bei. Doch weniger als ein Aufeinanderprallen zweier Kulturen, der christlichen und der islamischen, wird hier die Frage nach Freiheit und Selbstbestimmung in der Liebe verhandelt, und das widersprüchliche Gefühlschaos illustriert, das diese mit sich zu bringen vermag. Die Darstellung der Türken entspricht den Ideen der Aufklärung und des Humanismus, denen zufolge es in allen Völkern Gut und Böse gibt: Während Osmin den komisch-finsteren Aufseher gibt, ist der Pascha Bassa Selim nicht wie zu erwarten ein Bösewicht - die Oper endet mit einem Lobgesang auf seine Menschlichkeit.
Wolfgang Amadeus Mozart schuf mit „Die Entführung aus dem Serail“ ein frühes Meisterwerk. Es wurde am 16. Juli 1782 mit großem Erfolg im Wiener Burgtheater uraufgeführt. Kaiser Joseph II., der musikalisch einen eher konservativen Musikgeschmack hatte, meinte zu Mozart über die Oper: „Zu schön für unsere Ohren und gewaltig viel Noten, lieber Mozart.“ Worauf dieser entgegnete: „Gerade so viel Noten, Euer Majestät, als nötig sind.“ Dem Kaiser gefielen solche Antworten.
Die „Entführung aus dem Serail“ wurde Mozarts erfolgreichste Oper und war so beliebt, dass sie ständig wiederholt wurde. Nach Wien wurde sie auch in Prag und vielen deutschen Städten gespielt. Mozart selbst bekam lediglich 100 Dukaten (450 Gulden, das Jahresgehalt eines Lehrers betrug 22 Gulden) für die Komposition. Für alle späteren Aufführungen erhielt er überhaupt keine Honorare, da es damals noch keinen urheberrechtlichen Schutz gab. Er empfand das als großes Unrecht. Ein Spitzensänger erhielt im Vergleich dazu für eine einzige Aufführung zehnmal so viel.
Eine Aufführung aus der Bayerischen Staatsoper, deren Besetzung heute als legendär zu bezeichnen ist, habe ich für Sie heute ausgewählt: Karl Böhm, in seiner Zeit weltweit einer der gefeiertsten Mozart-Interpreten, dirigierte 1980 im hohen Alter von 85 Jahren Chor und Orchester der Bayerischen Staatsoper, es singen Francisco Araiza (Belmonte), Edita Gruberova (Konstanze), Reri Grist (Blonde) Norbert Orth (Pedrillo) und Martti Talvela (Osmin). Die Rolle des Bassa Selim, eine der gefragtesten Sprecherrollen in der Opernliteratur, wurde bereits von Schauspielern wie Michael Heltau, Curd Jürgens, Will Quadflieg und Klaus Maria Brandauer auf der Opernbühne oder im Plattenstudio übernommen. In der Münchner Inszenierung von August Everding ist Thomas Holtzmann zu sehen:
www.youtube.com/watch
Ihnen allen einen schönes Wochenende mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig
Matthias Wengler