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20.09.2021 Kategorie: ElmMusik, ErkerodeMusik

Musik in schwierigen Zeiten

Folge 228

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Freunde der Kirchenmusik,

zu meinen Lieblingswerken für Streichorchester zählt seit vielen Jahren Benjamin Brittens Simple Symphony op. 4, die ich Ihnen gerne in der heutigen Ausgabe vorstellen möchte.

Wie Wolfgang Amadeus Mozart begann auch Benjamin Britten bereits in frühester Kindheit zu komponieren. Schon mit 14 Jahren erhielt er Unterricht bei Frank Bridge, anschließend belegte er die Fächer Komposition und Klavier am Royal College of Music in London. Als er sein Studium 1932 abgeschlossen hatte, schrieb er als Streicherkomposition zunächst die Simple Symphony.

Mit diesem Werk blickte Benjamin Britten in doppelter Hinsicht in die Vergangenheit zurück. Der Rückblick geschieht einerseits durch die Weiterverarbeitung eigener Werke - als Quellen konnten mehrere Klavierstücke und drei Lieder ausgemacht werden, die er im Alter von 10 bis 13 Jahren geschrieben hatte; andererseits entfernt sich die Simple Symphony aber gerade bei einer Anlehnung an die ältere Form der Suite von der bedeutungsschweren modernen Sinfonie. So gibt sich Brittens Werk in ihren Dimensionen bescheiden. Es ist ein unkompliziertes Stück, das sich durch eine bemerkenswerte Frische auszeichnet und seine Bedeutung durch die sehr idiomatische Streicherbehandlung gewinnt. 

Britten hat den vier Sätzen seiner Simple Symphony Überschriften vorangestellt, die nicht allein durch die Alliteration eine beträchtliche Portion Humor erkennen lassen. Die „ungestüme Bourrée“ („Boisterous Bourrée“) ist mit einfachsten Kadenzfloskeln durchsetzt, die aber als Impulsgeber zu kontrapunktischen Experimenten fungieren. In den kontrapunktischen Abschnitten wiederum werden mehrere Themen in unterschiedlichen Notenwerten zusammengeführt. Gezupfte Töne, die bereits im ersten Satz vorkamen, spielen im zweiten Satz eine weitaus wichtigere Rolle. „Playful Pizzicato“ ist ein leichtfüßiger Satz im Tarantella-Rhythmus, mit geschwinden Ablösungen oder auch Überlagerungen der Instrumentalstimmen. Lediglich im Trio verfestigen sich die Strukturen, wenn zu kräftigen Begleitakkorden ein volksnah erfundenes Thema erklingt. Die „Sentimental Saraband“ nimmt die längste Aufführungszeit in Anspruch, es bleibt offen, ob der Zusatz „sentimental“ lediglich den sehnsüchtigen Charakter der Musik unterstreicht oder bereits unterschwellig auf ironische Brechungen verweist. Das „ausgelassene Finale“ („Frolicsome Finale“) stürmt dann im Prestissimo-Tempo dahin, ist jedoch auch von Moll-Stimmungen durchsetzt und vermittelt eher Ausgelassenheit als wirkliche Fröhlichkeit. 

Die Simple Symphony erlebte ihre Uraufführung am 6. März 1934 in der ostenglischen Universitätsstadt Norwich. Bei dieser Gelegenheit stand der Komponist selbst am Pult eines Laienorchesters. Meine heutige Empfehlung kommt aus der New Yorker Church of the Heavenly Rest, die New York Classical Players musizierten am 9. April 2017 unter der Leitung von Dongmin Kim:

www.youtube.com/watch

Wer noch mehr über Brittens Simple Symphony erfahren möchte, dem sei die Einführung mit Douglas Bostock und dem Südwestdeutschen Kammerorchester Pforzheim empfohlen. Die Aufzeichnung erfolgte am 30. Januar 2021 im CongressCentrum Pforzheim:

www.youtube.com/watch

Ihnen allen einen schönen Tag mit herzlichen Grüßen aus Braunschweig

Matthias Wengler

Beitrag von Matthias Wengler